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Lernen mit 360° – Was immersive Lernräume so besonders macht

Der digitale Wandel hat die Hochschulbildung in den letzten Jahren grundlegend verändert. Neben Online-Vorlesungen, Learning-Management-Systemen und KI-gestützten Lernplattformen gewinnen insbesondere immersive Lernräume zunehmend an Bedeutung. Gemeint sind damit virtuelle oder erweiterte Umgebungen, die durch 360°-Technologie, Virtual Reality (VR) oder Augmented Reality (AR) eine vollständig neue Form des Lernens ermöglichen. Doch was macht diese Lernräume so besonders – und warum lohnt es sich, diese Entwicklungen in der Hochschullehre stärker zu verankern?

Immersive Lernräume: Definition und Einsatzbereiche

Immersive Lernräume bezeichnen digitale Umgebungen, die Lernenden ein hohes Maß an Präsenz und Interaktivität ermöglichen. Dabei geht es nicht nur um das Sehen von Inhalten, sondern um das aktive Erleben und Handeln innerhalb einer virtuellen oder erweiterten Welt. Typisch sind dabei 360°-Szenarien, bei denen sich die Betrachtenden frei umsehen oder bewegen können – mit oder ohne VR-Brille.

Anwendungsbeispiele aus der Hochschullehre umfassen:

  • Medizinische Trainings, z. B. Operationen oder Notfallsimulationen in VR
  • Ingenieurwissenschaftliche Labore, in denen komplexe Maschinen oder chemische Prozesse gefahrlos erprobt werden
  • Sprach- und Kulturtrainings mit immersivem Szenarienlernen
  • Wirtschafts- und Managementsituationen, etwa Verhandlungstrainings oder Konfliktgespräche in virtuellen Konferenzräumen

Was macht immersive Lernräume so wirkungsvoll?

1. Erhöhte kognitive Aktivierung

360°-Umgebungen aktivieren multiple Sinneskanäle. Lernende müssen sich orientieren, Entscheidungen treffen und in der virtuellen Welt agieren. Dies fördert nicht nur das Verständnis, sondern verbessert nachweislich die Gedächtnisleistung (Makransky & Lilleholt, 2018).

2. Handlungsorientierung und Transfer

Im Gegensatz zu klassischen Lernformen stehen bei immersiven Szenarien nicht Inhalte im Vordergrund, sondern Situationen. So können theoretisch erworbene Kenntnisse direkt angewendet werden. Dies erleichtert den Transfer in die reale Welt und unterstützt den Aufbau von Handlungskompetenz.

3. Förderung von Motivation und Engagement

Studierende berichten häufig von einer hohen Lernmotivation beim Einsatz immersiver Technologien. Die Möglichkeit, aktiv am Geschehen teilzunehmen und realitätsnahe Erfahrungen zu sammeln, erzeugt ein Gefühl der Selbstwirksamkeit – ein zentraler Faktor für erfolgreiches Lernen (Deci & Ryan, 2000).

4. Soziale Präsenz und Kooperation

In kollaborativen VR-Settings entsteht durch Avatare und interaktive Umgebungen ein starkes Gefühl sozialer Präsenz. Dies kann Gruppenprozesse stärken und die Zusammenarbeit fördern – auch über große Distanzen hinweg. Besonders im internationalen Hochschulkontext ist dies ein erheblicher Vorteil.

Didaktische Gestaltung: Erfolgsfaktoren für immersive Szenarien

Damit immersive Lernräume ihr Potenzial entfalten, ist eine sorgfältige didaktische Planung entscheidend. Die Technik allein garantiert noch keinen Lernerfolg. Erfolgsfaktoren sind unter anderem:

  • Einbettung in ein übergeordnetes Lernkonzept (z. B. als Vorbereitung, Vertiefung oder Reflexion)
  • Klare Lernziele und Erwartungstransparenz
  • Begleitmaterialien, etwa Checklisten, Reflexionsbögen oder Leitfragen
  • Technische Einführung und Unterstützung insbesondere für Einsteiger:innen
  • Integration in Blended-Learning-Formate, um den Wechsel zwischen virtueller Erfahrung und realer Anwendung zu ermöglichen

Grenzen und Herausforderungen

Trotz der vielen Vorteile sind immersive Lernräume nicht ohne Herausforderungen:

  • Technische Barrieren: Nicht alle Studierenden verfügen über leistungsfähige Geräte oder stabile Internetverbindungen.
  • Didaktische Überforderung: Die Konzeption guter immersiver Szenarien erfordert Expertise, Zeit und interdisziplinäre Zusammenarbeit.
  • Ablenkungspotenzial: Ohne klare Anleitung können immersive Inhalte vom eigentlichen Lernziel ablenken.
  • Kosten und Infrastruktur: Der Aufbau eigener VR-Labore oder 360°-Studios ist mit Investitionen verbunden, die nicht jede Hochschule leisten kann.

Zudem stellt sich die Frage nach dem Datenschutz: Bewegungsdaten, Blickverläufe oder biometrische Informationen in VR-Anwendungen bedürfen klarer Regelungen und transparenter Kommunikation!

Fazit: Immersives Lernen – ein Zukunftsmodell für Hochschulen

Immersive Lernräume bieten eine innovative und zukunftsweisende Möglichkeit, den Lernprozess an Hochschulen lebendiger, praxisnäher und lernwirksamer zu gestalten. Sie ermöglichen nicht nur ein besseres Verständnis komplexer Inhalte, sondern fördern Motivation, soziale Interaktion und den Transfer in reale Handlungssituationen. Für Hochschulen bedeutet dies: Die Integration von VR-, AR- und 360°-Technologien sollte nicht als Spielerei verstanden werden, sondern als Teil einer strategischen Weiterentwicklung von Lehre und Didaktik. In Zeiten zunehmender Digitalisierung und globaler Zusammenarbeit sind immersive Lernformate ein bedeutender Schritt hin zu einer zeitgemäßen Hochschulbildung.