Die Raumfahrt hat sich in den vergangenen Jahren von einem staatlich dominierten Forschungsfeld zu einem dynamischen, wirtschaftlich getriebenen Innovationsökosystem entwickelt. Technologie, Unternehmertum und Kapitalzugang sind dabei eng miteinander verwoben. An der Dualen Hochschule Baden-Württemberg (DHBW) Mannheim spiegelt sich dieser Wandel zunehmend auch in der Lehre wider. Immersive Technologien wie die Virtuelle Realität (VR) werden nicht nur als visuelles Erlebnis, sondern als interaktive Lern-, Entwicklungs- und Experimentierplattform eingesetzt, die Studierende auf die Anforderungen der Space Economy vorbereitet.
Vom Erlebnis zur Lernplattform
Ausgangspunkt des Lehr- und Forschungsprojekts war der Einsatz der VR-Software von Magic Horizons GmbH. Studierende erhielten damit Zugang zu immersiven Weltraumerfahrungen – etwa dem Betreten virtueller Raumstationen, der Erkundung von Mondoberflächen oder dem „Überflug“ fremder Planeten. Dieses zunächst explorative Erlebnis diente jedoch nicht nur der Motivation und Faszination, sondern bildet die Grundlage für ein ernsthaftes didaktisches Format.
Mit der Einführung der Entwicklungsumgebung Unity erfolgte der zentrale Schritt: von der passiven Erkundung hin zur aktiven Gestaltung. Studierende modellieren eigene Szenen, programmieren Funktionslogiken und simulieren physikalische Prozesse. VR wird damit zum Labor für ingenieurwissenschaftliche, wirtschaftliche und unternehmerische Fragestellungen.
VR als interdisziplinäres Experimentierfeld
Die besondere Stärke des Ansatzes liegt in der systematischen Verknüpfung technischer und betriebswirtschaftlicher Kompetenzen. Während im klassischen Hörsaal die Komplexität orbitaler Mechanik oder extraterrestrischer Logistik nur abstrakt vermittelt werden kann, erlaubt VR die Modellierung und Variation solcher Szenarien in Echtzeit.
Ein mögliches Lernsetting:
Studierende planen und simulieren eine Satellitenkonstellation, kalkulieren Kosten, bewerten technische und regulatorische Risiken und leiten anschließend ein tragfähiges Geschäftsmodell ab. Auf diese Weise entsteht ein holistisches Verständnis des Space-Ökosystems – von Mission Design über Ressourcenbedarf bis hin zu Business Cases.
VR als Brücke zwischen High-Tech und Entrepreneurship
Die globale Space Economy gilt als Paradebeispiel für Hochtechnologie-Entrepreneurship. VR fungiert hier als Vermittlungsschicht, indem sie abstrakte Prozesse sichtbar und komplexe Systeme zugänglich macht. Dies eröffnet vielfältige didaktische Anwendungsszenarien:
- Virtuelle Innovationslabore für New-Space-Start-ups: Idee-, Prototyp- und Strategieentwicklung in risikoarmen Simulationsumgebungen.
- Investitions- und Risikotrainings: Darstellung technischer, wirtschaftlicher und politischer Parameter in Entscheidungsprozessen.
- Simulierte Wertschöpfungsketten im All: Von Herstellung und Montage bis Logistik und Ressourcenmanagement im Weltraum.
- Forschungs- und Transferperspektiven: VR-basierte Entwicklungen können direkt in Studienprojekte und Gründungsszenarien münden.
Damit entsteht ein Experimentierraum, der Studierende befähigt, Technologie- und Geschäftsmodelle gemeinsam zu denken – eine Kernkompetenz zukünftiger Fach- und Führungskräfte in der Space Economy.
Lernen im Orbit – ein neues didaktisches Paradigma
VR ermöglicht ein Lernen „im Orbit“, ohne den Campus zu verlassen. Studierende bewegen sich in interaktiven Weltraumszenarien, entwickeln Hypothesen, testen Entscheidungen und reflektieren deren Konsequenzen.
Der Ansatz folgt einem neuen Lernverständnis: Technologie erleben. Systeme verstehen. Innovation gestalten.
Virtuelle Realität wird so zum Lehr- und Forschungsinstrument für das Weltraumzeitalter. Sie macht den Kosmos nicht nur erfahrbar, sondern fördert ein tiefes Verständnis dafür, wie technologische, ökonomische und gesellschaftliche Innovation ineinandergreifen. Damit trägt sie an der DHBW Mannheim zur Ausbildung einer neuen Generation von Gestalterinnen und Gestaltern der Space Economy bei.